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Vorsorgeuntersuchungen: Kindliche Sehentwicklung

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Die kindliche Sehentwicklung im Rahmen kinderärztlicher Vorsorgeuntersuchungen

Am 3. Mai 05 referierte der engagierte Kinderarzt und Vater zweier Töchter Dr. Christian Hessel in unseren Geschäftsräumen zu diesem wichtigen Thema. Interessierte Eltern verfolgten aufmerksam den kompetenten Ausführungen und beteiligten sich durch persönliche Fragen und Kommentare aktiv an der dem Vortrag folgenden Diskussion. Hier nun eine Kurzzusammenfassung der wichtigsten inhaltlichen Aspekte des Vortrags:

Dr. Hessel begann seine Ausführungen mit einem kurzen Exkurs in die Embryologie. Demnach entwickelt sich bereits in der vierten Schwangerschaftswoche die Linse aus der Hautanlage als Einstülpung, das Auge aus der Vorderhirnanlage als Ausstülpung. Die Sinneszellen (Stäbchen und Zäpfchen) der Retina (Netzhaut) sind dem Pigmentepithel zugewandt, die Nervenfasern ziehen innen entlang zum Sehnerv. Augenentwicklungsstörungen können beim Ungeborenen durch Sauerstoffmangel, Vitaminmangel, Schilddrüsenunterfunktion, Virusinfekte (Röteln) und Röntgenstrahlungsbelastungen ausgelöst werden.

Der Brechwert des Auges liegt beim Neugeborenen etwa 25 Dioptrien höher als bei einem Erwachsenen, dies wird durch die etwa 7mm kürzere Länge des Auges ausgeglichen. Die Linse des Neugebornen ist fast kugelförmig.

Bis zum Ende des ersten Lebensjahres verdichten sich an der Stelle des schärfsten Sehens die Nervenzellen. Bereits zu diesem Zeitpunkt ist nach Meinung vieler Wissenschaftler die volle Sehschärfe entwickelt.

Im zweiten Lebensjahr nimmt die Nervenzellendichte noch dramatischer zu, ebenso die Nervenleitgeschwindigkeit sowie die Anzahl der Nervenverschaltungen (Synapsen). Um das Sehen zu lernen, sind allerdings von Anfang an Seheindrücke wichtig.

Das Farbsehen eines Kindes beginnt mit der 7. Lebenswoche; es werden schon jetzt eindeutig farbige Stimuli bevorzugt.

Kurze Fixation ist bereits beim Neugebornen möglich. Das binokulare Sehen (beidäugige Sehen) entwickelt sich ab dem 5. Lebensmonat und ist mit drei Jahren stabil. Ein Kind empfindet allerdings bereits ab seinem 7. Lebensmonat Doppelbilder als störend.

Blickzielbewegungen erfolgen beim Neugebornen zunächst mit dem Kopf und dann mit dem Auge. Dieses sollte sich bis zum fünften Lebensjahr umkehren.

Dr. Hessel betonte im folgenden, dass der Kinderarzt in der Funktion des Hausarztes neben der Erkennung möglicher Sehstörungen eine Vielzahl anderer möglicher Entwicklungsverzögerungen oder -störungen erkennen muss. Die Kindsbeobachtungen der Eltern sind in diesem Zusammenhang besonders wichtig und ernst zu nehmen. Liegt eine mögliche Beeinträchtigung der Sehentwicklung vor, ist die Kooperation mit einem Augenarzt unumgänglich.

In den zehn Vorsorgeuntersuchungen, die für jedes Kind obligatorisch sind, werden in Bezug auf die Sehentwicklung folgende Aspekte besonders ins Augenmerk genommen:
* U 1/2 Gibt es Schwellungen am Auge, Trübungen der Linse oder Entzündungen der Bindehaut? Wie ist die Hornhautgröße zu beurteilen? Das mögliche Schielen ist bei Neugebornen völlig normal und keine beunruhigende Abweichung.
* U 3 (4.-6. Lebenswoche): Sind die Augen gleich groß und gleichermaßen orientiert (-> Lichtreflex)? Werden Entzündungen durch eine Tränengangstenose verursacht? Hängen die Augenlider? Besteht ein „Sonnenuntergangsphänomen“ (d.h., dass das Augenweiß den oberen Teil ausfüllt)?
* U 4 (3.-4. Lebensmonat): Augenuntersuchungen sind mit denen der U3 identisch.
* U 5 (6.-7. Lebensmonat): Neben den bereits genannten Aspekten wird nun auf mögliches Schielen geachtet. Durch Lichtreflexe wird getestet, ob die Hornhautreflexe symmetrisch sind.
* U 6 (10.-12. Lebensmonat): Ändert sich durch Abdecken eines Auges die Einstellungsbewegung/ kommt es zum Schielen?
* U 7 (21-24. Lebensmonat): Ab diesem Zeitpunkt sind erste Sehteste möglich.
* U 8 (4 Jahre): Visusbestimmung ist möglich. Durch den sogenannten Lang-Test kann das Stereosehen überprüft werden.
* U 9 (5-6 Jahre): Visusprüfung, spätestens jetzt wird das binokulare Sehen überprüft.
* U 10 (13-15 Jahre): Visusprüfung wird wiederholt.

Nach Dr. Hessel sollten die Eltern bei den Beobachtungen ihrer Kinder auf folgende Auffälligkeiten achten:
* verschieden große Lidöffnungen oder Pupillen
* auffallende Lichtscheu oder keine Reaktion auf Licht
* häufiges Augenreiben
* anhaltende Rötungen der Augen
* Häufiges Tränen oder Verkleben der Augen
* getrübte Hornhaut oder grau-gelbe statt tief-schwarze Pupille *
Schielen * Augenzittern oder ständiges Bewegen eines der Augen *
zwanhaftes Schiefhalten des Kopfes
* Vorbeigreifen

Bei Vorschul- oder Schulkindern sind folgende Auffälligkeiten ein Indiz für mögliche Sehstörungen:
* häufiges Stolpern oder Anstoßen
* Unlust am Malen/ Ausmalen/Ausschneiden, später am Lesen
* ungewöhnliche Haltungen beim Malen, Zeichnen oder Schreiben
* Kopfschmerzen und/oder schnelles Ermüden beim Sehen in der Nähe
* plötzliche Verschlechterung der Schulnoten
* Auffälligkeiten in der Grobmotorik (z.B. beim Ballspielen, Fahrradfahren, Treppensteigen)
* Konzentrationsschwierigkeiten

In dem abschließenden und anregenden Gespräch mit den Teilnehmern des Abends wurde deutlich, dass sich Eltern manchmal ein wenig allein gelassen fühlen, da sich im Bereich des kindlichen Sehens manche Fachleute nicht „die Finger verbrennen“ möchten. Die z.T. schwierigen Entscheidungen, die hier zu treffen sind, überfordern dann manchmal, weil sie in der alleinigen Verantwortung der Eltern zu treffen sind. Umso wichtiger ist es deshalb, ihre Beobachtungen ernst zu nehmen und sich als Spezialist wirklich auf die Nöte der kleinen Patienten einzulassen. Nicht zuletzt aus diesem Grund empfanden die Zuhörer den Vortrag nicht nur inhaltlich interessant, sondern betonten abschließend, dass es für sie wichtig und wohltuend gewesen sei, dass man einfach mal ein Ohr für ihre Probleme gehabt habe.

Mit einem warmen Danke an Herrn Dr. Hessel endete schließlich dieser informative und menschlich einfühlsame Abend